Viele kennen die Situation: die Straße ist eng, unübersichtlich oder zugeparkt. Deshalb winkt man den Wartepflichtigen vorbei. Kommt es aber zu einem Unfall, dann kann es sehr schnell sehr teuer werden. Der Berechtigte kann grüßend winken, eine Fliege verscheuchen, sich eine Strähne aus dem Gesicht streichen, die Brille richten, usw. Das Spektrum an Gesten kann sehr weit sein. So entschied das OLG Hamm im Beschluss vom 23.11.2018 - 7 U 35/18, dass von einem Vorfahrtsverzicht nur auszugehen ist, wenn der Berechtigte den Verzichtswillen in unmissverständlicher Weise zum Ausdruck bringt. So läßt sich von einem Abstoppen des Vorfahrtsberechtigten an einer Kreuzung kein Rückschluss auf einen Vorfahrtsverzicht ableiten. Das gilt zumindest dann, wenn das Abstoppen darauf zurückzuführen ist, dass auch der Vorfahrtsberechtigte sich beim Einfahren in die Kreuzung vergewissern muss, ob er anderen Verkehrsteilnehmern Vorfahrt zu gewähren hat.
Im entschiedenen Fall wollte eine 79-jährige Pedelec-Fahrerin eine Einmündung passieren, in die von rechts eine Straße einmündete. Eine Regelung der T-Kreuzung durch Verkehrsschilder gab es nicht. Diese einmündende Straße wurde von einem Transporterfahrer benutzt, der nach rechts abbiegen wollte. Hierzu hielt er im Kreuzungsbereich an, da er einem von rechts (also der Pedelec-Fahrerin entgegenkommenden Fahrzeug) die Vorfahrt zu gewähren hatte. Als dieses durch war, fuhr der Transporterfahrer an und es kam zur Kollision. Die Pedelec-Fahrerin behauptete, sie habe sich mit dem Transporterfahrer über einen Vorfahrtsverzicht verständigt, der Transporterfahrer bestritt dies.
Das Gericht entschied weiter, dass der 79-jährigen auch nicht mit Verweis auf § 3 Absatz 2a StVO ein Haftungsanspruch zusteht. Nach dieser Norm greift ein Schutz für ältere bzw. hilflose Personen, wenn sie sich in einer Verkehrssituation befinden, in der erfahrungsgemäß damit gerechnet werden muss, dass diese Person aufgrund des Alters/der Hilflosigkeit das Geschehen nicht mehr voll übersieht und meistert. Ob die Pedelec-Fahrerin unter dem Hel.m und in Funktionsbekleidung als ältere Person erkennbar war, ist hier nicht näher ausgeführt.